Im Wohnzimmer der Familie Weinheimer in Neustadt erinnern viele Dinge an Simon – die Bilder an der Wand oder der Weihnachtsbaum, der geschmückt ist mit Mäusen. "Mäusespeck" ist sein Spitzname, damals wie heute. Vor fünf Jahren mussten seine beiden Schwestern und die Eltern von Simon Abschied nehmen. Er starb mit vier Jahren. Seine Mutter Franziska wird diesen Tag im Februar niemals vergessen: "Es ist der größte, traurigste Moment meines Lebens", sagt sie. Und dennoch: "Der Moment hatte ganz viel Ruhe und ganz viel Liebe und ganz viel Wärme."
Simon hatte unheilbaren Gendefekt
Einige Monate nach seiner Geburt hatten die Ärzte eine genetische Mutation bei Simon festgestellt. Sein Körper konnte die Energie von Essen und Trinken kaum in Energie umwandeln, die der Körper nutzen kann. "BCAP 31" heißt das Stück, das in seinen Genen fehlte. Zum Zeitpunkt der Diagnose gab es weltweit nur acht vergleichbare Fälle. Durch den genetischen Defekt war Simon komplett auf Pflege angewiesen.
Zu Beginn gaben die Ärzte dem kleinen Jungen nur wenige Monate zu leben - maximal ein Jahr. Doch der Zustand stabilisierte sich, zehn Jahre lautet die Prognose. Die Familie war glücklich.
Doch dann kam alles anders: Im Jahr 2017 war Simon stabil, doch dann kam eine Infektionswelle. Was zunächst wie ein harmloser Infekt aussah, kostete Simon schließlich das Leben.
Abschied im Hospiz Sterntaler in Dudenhofen
Binnen weniger Stunden verschlechterte sich sein Zustand rapide - am Ende kam Simon ins Kinderhospiz Sterntaler in Dudenhofen. Den Eltern blieben zwölf Stunden, um Abschied von ihrem Sohn zu nehmen. Auch die beiden Schwestern des Vierjährigen waren dabei. "Am Ende hat Simon selber entschieden, wann er geht", erzählt seine Mutter Franziska. Das Leben mit Simon, ihr gemeinsamer Weg, hat bei Franziska Weinheimer viel bewegt. Sie blickt inzwischen völlig anders auf den Tod: "Ich hab keine Angst mehr. Ich hab gesehen, wie mein Kind in ganz großem Frieden und Ruhe gehen durfte. Wenn er das kann, kann ich das auch."
Geholfen hat der Familie, dass sie wusste, sie würde von Simon irgendwann Abschied nehmen müssen. Wichtig war auch, dass die Hospiz-Mitarbeiter die Familie begleiteten. Eltern und Schwestern konnten sich auf den Tod von Simon einstellen, die Zeit mit ihm umso intensiver erleben. Dass es kein Unfall war, das hilft dem Vater Sven Weinheimer: "Ich glaube, wir haben das Glück, dass wir keine Bitterkeit oder Wut oder sowas verspüren. Denn es war kein Unfall, an dem jemand Schuld war."
Familie redet über verstorbenen Simon
Die Familie Weinheimer kann inzwischen über den Tod von Bruder und Sohn reden. Doch vielen Menschen geht das nicht so. Das bemerkt Franziska Weinheimer immer wieder: "Wir haben erlebt, dass Menschen aus Unsicherheit uns gegenüber, die Straßenseite gewechselt haben, um dem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Und das war schlimmer für mich, als vielleicht mal ein falsches Wort zu sagen."
An einem strahlenden Sonnentag zum Beispiel hat sich ein Bekannter vor einem Laden schnell zu den Regenschirmen weggedreht - als würden sie ihn interessieren. Die Mutter musste den Töchtern erklären, dass er aus eigener Unsicherheit so reagiert hat.
Trauer kommt oft unerwartet
Doch für die Familie Weinheimer ist Simon nicht fort. "Wir sind eine Fünferfamilie mit einem Familienmitglied im Außendienst", sagen sie. Es gibt verschiedene Momente, traurige Erinnerungen, aber auch fröhliche. Wenn die Familie zum Beispiel "Paddington Bär" anschaut, freuen sich alle über die Stelle, an der Simon immer gelacht hat. Doch manchmal erwischt sie die Trauer unerwartet. So erzählt Franziska Weinheimer, dass sie auf einem Flug von oben die Nordseeinsel entdeckt habe, auf der die Familie mit Simon drei Mal Urlaub gemacht hatte: "Das hat mich dann komplett weggehauen. Ich saß im Flieger und hab Rotz und Wasser geheult."
Familie geht nicht mehr täglich auf den Friedhof
Zu Anfang war die Familie jeden Tag auf dem Friedhof, besonders die älteren Schwestern von Simon wollten das so. Inzwischen hängt das Gedenken nicht mehr unbedingt an Orten. "Es sind eher Gelegenheiten und Momente oder Dinge, die passieren, die so typisch gewesen wären für uns und Simon. Und das sind die eigentlichen Orte der Erinnerung", sagt Sven Weinheimer.
Zum "Weltweiten Kerzenleuchten" am Sonntag dem 11. Dezember um 19 Uhr hatten die Eltern von Simon wieder eine Kerze für ihren verstorbenen Sohn angezündet. Dieser Tag erinnert weltweit an verstorbene Kinder. Und Freunde und Verwandte schicken der Familie die Fotos ihrer Kerzen, die für Simon brennen.