Auf eine Anfrage des SWR erläuterte das Landesamt für Umwelt, dass die Kreisverwaltung im Vorfeld mehrmals über steigende Pegelstände informiert worden sei. Demnach hat die Behörde nach eigenen Angaben bereits am Nachmittag vor der Katastrophe Prognosen veröffentlicht, wonach der bisherige Pegelhöchststand von 3,7 Meter deutlich überschritten werde. Bereits gegen 15.30 Uhr sei ein Pegelstand von fünf Metern prognostiziert worden. Um 19:30 Uhr sei dieser dann bestätigt worden, gegen 20.30 Uhr sei sogar ein Pegelstand von 6,9 Metern vorausgesagt worden.
Katastrophenfall zu spät ausgerufen?
Trotz diesen präzisen Warnungen rief der Kreis Ahrweiler Medienberichten zufolge erst nach 23 Uhr den Katastrophenfall aus und ordnete eine Teil-Evakuierung an. Zu diesem Zeitpunkt hatten weniger betroffene Regionen wie der Eifelkreis oder der Vulkaneifelkreis den Katastrophenfall schon ausgerufen.
Dem Landesumweltamt zufolge habe die Kreisverwaltung Ahrweiler die Pegelstände über das Internet bekommen und zusätzlich mehrere automatisierte Mails erhalten. Verantwortlicher für den Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler ist der zuständige Landrat Dr. Jürgen Pföhler (CDU). Er rechtfertigt sich damit, dass eine Flutkatastrophe solchen Ausmaßes nicht vorhersehbar gewesen sei.
Landrat Pföhler weist Vorwürfe zurück
Am Sonntag wies Pföhler die Vorwürfe wegen einer angeblich zu späten Warnung der Einwohner in der Flutnacht zurück. Dem Bonner "General-Anzeiger" sagte er: "Zurzeit kann niemand im Bund, im Land oder im Kreis seriös die Fragen nach Verantwortlichkeiten beantworten." Dies müsse später "sehr sorgfältig aufgearbeitet werden", um für künftige Großschadenslagen gewappnet zu sein. Gegenseitige Schuldzuweisungen seien völlig deplatziert und geschmacklos, sagte er.
Absolute Priorität habe jetzt die Sicherung der Grundversorgung der von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen. "Für mich steht schon jetzt fest, dass alle vorhandenen Warn- und Alarmierungssysteme auf diesen nie dagewesenen Tsunami technisch nicht vorbereitet waren", so Pföhler.
Krisenexperte kritisiert Vorgehen
In einem Interview mit der "Rhein-Zeitung" übt der Krisenexperte Frank Roselieb Kritik an den Vorgängen des Abends. So sei kein "Voralarm" ausgelöst worden. Dieser Zusatz zum "Katastrophenalarm" ermöglicht schon einmal vorab Notmaßnahmen einleiten zu können. Laut Roselieb gab es keinen Grund, sich nicht im Vorfeld die Frage zu stellen "was machen wir denn, wenn wir eine drei, fünf oder sechs Meter hohe Flutwelle bekommen?"
Pegelmesser wurde von Fluten mitgerissen
Neben den, auf Prognosen basierenden, Warnungen, gab es aber auch ganz konkrete Beispiele, die auf die Katastrophe hindeuteten. Der Pegelmesser in Altenahr wurde, nach historischen Messwerten von 3,91 Meter (19:00 Uhr) und 5 Meter (20:00 Uhr) von den Fluten überspült und zerstört.
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Staatsanwaltschaft prüft inzwischen Ermittlungen
Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft Koblenz, ob sie wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Tötung Ermittlungen einleitet.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte nach dem Unglück gesagt, dass man "natürlich hätte evakuieren können". Die Entscheidungsgewalt hierzu liege allerdings beim Kreis der jeweiligen Region. Eine Übergabe der Verantwortung an den Innenminister sieht auch Krisenexperte Roselieb in der "Rhein-Zeitung" kritisch: "Dann hätte er die ganze Verantwortung über ein Katastrophenmanagement, das er operativ gar nicht steuern kann, weil ihm vor Ort die Kontakte fehlen."