Poetry Slammer – Teilnehmer eines Dichterwettstreits – haben in Heilbronn das Publikum genarrt. Nach ihren Vorträgen, für die sie viel Applaus bekamen, räumten sie ein: Wir haben die Texte nicht selbst verfasst, sondern von Künstlicher Intelligenz schreiben lassen. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer reagierten erschrocken auf die eigene Gutgläubigkeit. Sie hatten dem Werk eines Computers applaudiert. Zwei der Slammer waren regelrecht gefeiert worden.
Ich frage mich, wie es Ihnen mit einer Kolumne ergehen würde, die ich per KI schreiben ließ. Mutmaßlich würden Sie stutzig. „Heute schreibt er anders als sonst.“ Vielleicht würde Ihrem Gefühl nach der Text nicht zum Autor passen (so empfanden es viele beim Heilbronner Experiment). Aber Sie würden mir, glaube ich, keinen Betrug unterstellen. Wer den Text eines anderen bzw. eines Computers als eigenen ausgibt, handelt betrügerisch.
Applaus für Verse aus der Maschine
Mich stimmt das Experiment der Heilbronner Poetry Slammer nachdenklich. Auch ich wäre auf sie hereingefallen. Offenbar wissen wir, dass KI gerade unser Leben verändert und es leichter macht. Aber ein gesundes Misstrauen, dass eine Maschine mit uns sprechen könnte statt ein Mensch, scheint noch wenig entwickelt. Tatsächlich ist es heute technisch möglich, dass mich mein Zwillingsbruder zum Essen einlädt, ohne selbst davon zu wissen.
Mir ist trotzdem nicht Angst und Bange vor der KI. Nach meinem Eindruck reagieren Politik und Gesellschaft auf ihre Gefahren viel früher, als sie es beim Aufstieg der Internet-Riesen wie Google oder Twitter getan haben. Schon heute müssen Poetry Slammer KI-generierte Texte kenntlich machen. Der Poetry-Abend in Heilbronn war eine Ausnahme von der Regel – eine heilsame.