"Stadtgrünführung", heißt eine Führung durch die Ulmer Innenstadt, bei der ganz bewusst auf das Grün im Viertel geschaut wird. Interessierte lernen dabei, wie man sich auch als Stadtbewohnerin oder Stadtbewohner ein bisschen Natur vor die eigene Haustür in holen kann.
Pädagogen der Friedrich-List-Schule in Ulm haben eine Führung gebucht. Dieses Mal sind sie selbst Schülerinnen und Schüler. Thema der unterhaltsamen Stunde: die grünen Ecken Ulms. Ihre Lehrerinnen sind Hobbygärtnerin Susanne Steck und Sabine Kröber vom Naturschutzbund Ulm (NABU). Ihr Klassenzimmer: das vorbildlich begrünte Ulmer Innenstadtviertel "Auf dem Kreuz".
Wie kleine Gärten wirken einige Hauseingänge. Ein Bewohner baut direkt neben der Straße italienischen Palmkohl und Tomaten in einem Hochbeet an. Blumenkübel mit duftendem Rosmarin und Salbei zieren das Viertel. Sogar am Straßenschild rankt Efeu hoch. Gefühle wie auf dem Land - nur eben mitten im Stadtzentrum, einige Gehminuten vom Ulmer Münster entfernt.
Susanne Steck hat das Viertel "Auf dem Kreuz" begrünt
"Stadtgrünführerin" Susanne Steck lebt seit 16 Jahren im Viertel "Auf dem Kreuz" und hat mit ihrer Euphorie für alles Grüne Nachbarinnen und Nachbarn angesteckt. Inzwischen trägt fast das ganze Viertel zu einem grüneren Stadtbild bei. Wie man das schafft, erzählt Susanne Steck seit einiger Zeit auch bei Führungen zum Thema Stadtgrün.
"Im Herbst kann man hier wunderbar ernten", sagt Susanne Steck und zeigt der Gruppe einen Birnbaum. An den Ästen hängen bereits die heranreifenden saftigen Früchte. Direkt an einer Hauswand sind einige Pflastersteine herausgenommen, damit das kleine Bäumchen dort Wurzeln schlagen konnte.
Begrünung geht auch mitten in der Stadt - aber mit Einschränkungen
50 Zentimeter vor dem eigenen Haus ist das Begrünen auch in der Innenstadt erlaubt, so die inoffizielle Regel in Ulm. Vor einigen Jahren brauchte man für einen Blumenkübel vor der Haustüre noch die Genehmigung dreier städtischer Ämter. Susanne Steck ist mit der aktuellen Regelung zufrieden, "es sollte nur noch besser kommuniziert werden", findet sie.
Als sie damals mit der privaten Begrünung ihres Hauses begann, war ihr schnell klar: Allgemeine Richtlinien gibt es keine. Obwohl die Stadt Ulm beispielsweise eine Fassadenbegrünung sogar finanziell fördert. Genaueres kann man beim Grünflächenamt der Stadt erfahren.
Zu Fuß geht es für die Gruppe zur nächsten grünen Ecke. Wilder Wein wächst hier an der Mauer, die man darunter nur noch erahnen kann. Ein positives Beispiel, findet Sabine Kröber vom NABU. Denn an der heimischen Pflanze erfreuen sich auch Vögel und Insekten, vor allem wegen der vielen kleinen Beeren. "Es ist wichtig, dass man darauf achtet, welche Pflanze man auswählt", sagt Sabine Kröber. Besonders wegen der Biodiversität, also der Artenvielfalt.
Die Begrünung sei nicht nur für das Mikroklima gut, sondern auch für das soziale Klima, meint Susanne Steck. Sie freut sich, dass die Nachbarschaft dadurch enger zusammengewachsen ist. Man spreche mit Nachbarinnen und Nachbarn über Pflanzmöglichkeiten und komme bei der Gartenarbeit miteinander in Kontakt.
Nicht nur die Nachbarschaft freut sich, sondern auch Passantinnen und Passanten, die durch das Viertel schlendern. "Ich wusste gar nicht, dass es in Ulm so viele schöne Plätze gibt", sagt eine Lehrerin bei der Führung. Viele sind überrascht über die grünen Ecken mitten in der Stadt. "Wo es grüner ist, hält man sich bekanntermaßen auch lieber auf", sagt Susanne Steck.
Begrünung erwünscht - Fugenkratzer darf unbenutzt bleiben
Für einen grünen Hauseingang müsse man auch nicht den viel zitierten grünen Daumen haben. Manchmal reiche es auch schon, der Natur freien Lauf zu lassen - beispielsweise in den Fugen zwischen den Pflastersteinen.
Die beiden Stadtführerinnen teilen am Ende der Tour kleine Tütchen mit Blumensamen aus. Als kleines Geschenk, damit es auch in anderen Vierteln der Stadt grüner wird.