Der politische Wahlkampf auf Social Media hat in der jüngsten Vergangenheit immer wieder für Diskussionen gesorgt. Besonders der Einfluss auf junge Wählerinnen und Wähler ist zum Thema geworden, nachdem bei den Kommunalwahlen in Bayern und Hessen ein deutlicher Rechtsruck bei den unter 30-Jährigen und damit der TikTok-Zielgruppe zu sehen war. Denn dort gehört die AfD zu den erfolgreichsten Parteien - auch in Baden-Württemberg.
Macht kommunaler Wahlkampf auf Social Media Sinn?
Mit Blick auf die Kommunalwahl in BW sieht der Experte für politische Kommunikation Rafael Bauschke von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg die sozialen Medien aber nicht als "Wunderwaffe" für die Parteien. Ein erfolgreicher Wahlkampf basiere nach wie vor auch auf Plakaten und Veranstaltungen.
Denn auf Plattformen wie Instagram und Facebook würde man vor allem die Menschen erreichen, die sich bereits für das entsprechende Wahlprogramm interessieren und den Accounts der Politiker und Parteien aktiv folgen. Neue Zielgruppen zu erschließen ist laut Bauschke schwierig. Auf Instagram kommt außerdem hinzu, dass die Plattform seit Februar den Nutzern proaktiv keine politischen Inhalte mehr ausspielt. Wer politische Inhalte empfohlen bekommen möchte, muss dies in seinen Einstellungen manuell freischalten.
TikTok tickt anders
Auf TikTok sieht das jedoch anders aus. Beim Öffnen der App landet der Nutzer auf der sogenannten "For-You"-Page. Hier finden sich alle Videos, die der Algorithmus als für den Nutzer interessant bewertet hat. Anders als auf Instagram basieren die Inhalte also nicht auf den Accounts, denen der Nutzer aktiv folgt, sondern auf der Viralität der Videos - also darauf, wie erfolgreich sie bisher sind. Nach welchen Kriterien der Algorithmus die Videos genau bewertet, verändert sich stetig und ist nicht offiziell bekannt. Ein wichtiger Punkt scheint aber die Interaktion mit den Inhalten zu sein: wie viele Personen haben das Video gelikt, kommentiert oder es geteilt? Erfahrungen zeigen, dass das vor allem emotionalisierte Videos erreichen, die aber oft auch Desinformationen und populistische Inhalte enthalten können.
Forum Politik bei TikTok – Was macht das Netz mit der Freiheit?
Norbert Lang diskutiert mit
Dr. Philipp Lorenz-Spreen, Netzwerkwissenschaftler, Berlin
Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker, Sprachwissenschaftler, Dresden
Prof. Dr. Judith Möller, Kommunikationswissenschaftlerin, Hamburg
Bundespolitiker und Parteien auf TikTok
Eine Erhebung des Politikberaters Dr. Johannes Hillje zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 zeigte, dass die Videos der AfD-Bundestagsfraktion dreimal so häufig angesehen wurden, wie die Inhalte aller anderen Parteien zusammen. Seitdem sind die anderen Parteien in Zugzwang. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben nun ihre ersten Kurzvideos gepostet. Aber nicht nur die Bundesregierung möchte politisch auf der Plattform mitmischen. Vor allem mit Blick auf die Europawahl formieren sich auch zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer: Unter dem Hashtag #reclaimTikTok (deut.: TikTok zurückholen) wollen sie rechtsextremen Inhalten etwas entgegensetzten. Knapp 35.000 Videos wurden bereits mit dem Hashtag gepostet.
Und auf der kommunalen Ebene?
Auch einige Kommunalpolitikerinnen und -politiker sind mittlerweile auf TikTok unterwegs und posten Videos zu regionalen Themen und Anliegen. Für Experte Rafael Bauschke von der Hochschule Ludwigsburg reicht das jedoch nicht aus, um die Menschen für Kommunalpolitik zu interessieren. Der Schlüssel sei hier ein persönliches Gespräch - und zwar nicht nur zwischen Politikern und Wählern, sondern vor allem im Freundeskreis.
Schließlich passiert Kommunalpolitik direkt vor der Haustür und auch vor der des Nachbarn.