Pfarrerin Stephanie Hecke und der katholische DiakonThomas Leopold bei der Trauerfeier in der Aussegnungshalle des Waldfriedhofs in Stuttgart.

Gedenkfeier am Waldfriedhof Stuttgart

Trauer um fremde Tote - und wie diese Mut macht

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Martin Klein
Martin Klein

Einsam sterben: Betraf das in Stuttgart früher 300 Menschen pro Jahr, sind es mittlerweile 450. Keine Angehörige, keine Trauerfeier - und doch es gibt Menschen, die ihrer gedenken.

Sie heißen "unbedacht Verstorbene", ihre letzte Ruhe finden sie in der Anonymität. Nahezu vergessen waren sie schon vor ihrem Tod: Menschen, die einsam sterben, ohne Angehörige, Freunde und Bekannte. Um sie kümmert sich die Kommune. Und diesen Verstorbenen bleibt am Ende nur eine bescheidene letzte Ruhestätte auf dem Friedhof - in Stuttgart etwa auf dem Waldfriedhof. Für diese Menschen richten die Kirchen in regelmäßigen Abständen kleine Trauerfeiern aus - stimmungsvolle Abschiede in Würde, die doch einige Menschen bewegen.

Trauerfeier mit Pfarrerin, Diakon und Chor

An diesem Tag im Frühherbst stehen in der Aussegnungshalle des Waldfriedhofs 17 Urnen mit den sterblichen Überresten anonym Gestorbener. Der katholische Diakon Thomas Leopold und die evangelische Pfarrerin Stephanie Hecke sind gekommen, um ihrer zu gedenken. Es haben sich wenige versammelt - aber immerhin: Es haben sich Menschen versammelt. Keine Familie, keine Angehörigen, die meisten der Anwesenden singen in einem Chor, der sich zu diesen Anlässen regelmässig zusammenfindet.

Einige "unbedacht Verstorbene" waren Obdachlose

"Wir nennen diese Menschen unbedacht Verstorbene, weil ihr Tod bisher und soweit wir es wissen können von den meisten unbemerkt und unbedacht geblieben ist", sagt Pfarrerin Stephanie Hecke.

Pfarrerin Stephanie Hecke und der katholische Diakon Thomas Leopold gedenken bei einer Trauerfeier am Waldfriedhof Stuttgart 17 Verstorbenen.
Pfarrerin Stephanie Hecke und der katholische Diakon Thomas Leopold gedenken bei einer Trauerfeier am Waldfriedhof Stuttgart 17 Verstorbenen.

Sie kannte dennoch den einen oder anderen der Toten: Zu ihrer Gemeinde gehört auch die Obdachlosenszene der Landeshauptstadt. Und die trifft sich etwa unter der Paulinenbrücke in Stuttgart.

Trauern mit Hindernissen um Freunde aus der Szene

Mittellose, Drogensüchtige, Kranke und vom Leben Gebeutelte: Der Tod ist hier ein ganz präsenter Begleiter. Stephanie Hecke erfährt das in ihren Gesprächen mit den Wohnungslosen.

Laura beispielsweise trauert um zwei Freunde aus der Drogenszene, die kürzlich gestorben sind. Einen von ihnen nannten sie Blacky. Laura kennt nicht einmal seinen richtigen Namen. "Ich weiß nicht, wo er beerdigt worden ist", sagt die früher selbst drogenabhängige Frau.

Eine Gedenktafel lässt Stuttgarter Obdachlose an Verstorbene erinnern. Laura zeigt Pfarrerin Stephanie Hecke, wohin sie den Namen ihres kürzlich verstorbenen Freundes Blacky geschrieben hat.
Eine Gedenktafel lässt Stuttgarter Obdachlose an Verstorbene erinnern. Laura zeigt Pfarrerin Stephanie Hecke, wohin sie den Namen ihres kürzlich verstorbenen Freundes Blacky geschrieben hat.

Szene-Freunde erfahren selten Termin und Ort der Beisetzung

Sie hat seinen Namen an eine Gedenktafel geschrieben - nur dort hatte sie einen Ort zum Trauern. Denn wo und wann Leute aus der Szene ihre letzte Ruhe finden, ist für Obdachlose nur schwer herauszufinden. Eben weil sie keine Angehörigen im juristischen Sinn sind.

Bei der Trauerfeier in der Aussegnungshalle des Waldfriedhofs war somit auch niemand aus der Szene dabei. Und dennoch: Im Fall einer Frau, für die Stephanie Hecke und Thomas Leopold eine Kerze in der kleinen Zeremonie entzünden, ist eine Vertraute gekommen: Monika Mayer Opitz hat die Gestorbene gekannt.

Monika Mayer Opitz hat eine der Verstorbenen gekannt: Christa Schreiber. 15 Jahre lang hat sie die Dame im Altenheim als Ehrenamtliche besucht.
Monika Mayer Opitz hat eine der Gestorbenen gekannt: 15 Jahre lang hat sie die Dame im Altenheim als Ehrenamtliche besucht.

Anonym Gestorbene bekommt doch noch ein Gesicht

15 Jahre lang hatte sie die alte Dame im Altenheim besucht. "Wir haben ganz wenig über sie erfahren, denn es gab keine Verwandten mehr", berichtet sie. Doch sie wussten, dass sie in einer Gärtnerei in Pforzheim aufgewachsen ist.

"Bis zum Schluss konnte sie uns immer noch alle Blumennamen nennen. Das war schön."

Vielleicht sind es Momente wie diese, die bei den kleinen Trauerfeiern am Waldfriedhof den Anwesenden Kraft und Zuversicht schenken. Ein Gedenken, das auch den Lebenden Mut machen kann.

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