Katja Mast aus Pforzheim ist Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag in Berlin. In Pforzheim zog sie Bilanz nach einem Jahr Ampel-Regierung und Kanzlerschaft von Olaf Scholz. Außerdem blickte sie auf aktuelle politische Themen in der Region Pforzheim/Enzkreis.
Wie fällt ihr erstes Résümee nach 12 Monaten Ampel aus? ist das Regieren im Vergleich zur großen Koalition einfacher oder schwieriger geworden?
Katja Mast: Ich habe jetzt mit Partnern zu tun, die den Fortschritt wollen und die Herausforderungen der Zeit annehmen. Und ich verhandele quasi mit Menschen Gesetze, die auch etwas wollen. Ich habe davor immer wieder Gesetze verhandelt mit einem Partner, der gar nichts will. Diese Bundesregierung hat über hundert Gesetze verabschiedet, um die Krisen zu bewältigen und die Menschen zu entlasten, aber auch um Zukunftsthemen anzugehen: die Erhöhung des Mindestlohns, des Bürgergeldes, Wohngeld oder Bafög-Reform. Der ganze Aufbruch zur Fachkräftesicherung war in der letzten Legislatur nicht möglich. Jetzt gehen viele Dinge einfacher. Man kann auch sagen, dass die Ampel näher zusammengerückt ist. Das mache ich insbesondere am Bürgergeld, an den gemeinsamen Gesprächen und Verhandlungen hierzu fest.
Welche der Reformen und Gesetze sind für Pforzheim und den Nordschwarzwald von besonderer Bedeutung?
Für die Region Pforzheim sind sicher Bürgergeld und Wohngeld von sehr großer Relevanz, weil hier viele Menschen wenig verdienen. Wir haben die größte Kindergelderhöhung aller Zeiten beschlossen und die kalte Progression de facto abgeschafft. Und zusätzlich bleibt wichtig, dass wir klimaneutral werden und dennoch ein starker Industriestandort bleiben. Deswegen haben wir ein Transformationsnetzwerk geschaffen, das der Region helfen soll, sich schlagkräftiger aufzustellen. Ein Netzwerk aus Gewerkschaften, Wirtschaftsförderung, Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer und Hochschule. Die fast sieben Millionen Euro, die uns der Bund dafür zur Verfügung stellt, wollen wir nutzen, um die Region nach vorne zu bringen, Arbeitsplätze zu sichern und neue Jobs zu schaffen.
Trotz großer Reformen - es gibt viel Unmut im Land, auch hier in der Region. Die Kommunen fühlen sich am Limit, überall fehlt Personal. Die hiesigen Bürgermeister haben kürzlich einen Brandbrief veröffentlicht, in dem sie dringend um Entlastung bitten. Wie reagieren Sie darauf?
Ich habe innerhalb von 24 Stunden auf den Brief geantwortet. Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns zusammen an den Tisch sitzen. Das haben wir bereits getan, auch alle anderen Abgeordneten waren dazu eingeladen. Natürlich ist es meine Verantwortung, dass wir Gesetze machen, um mehr Fachkräfte zu bekommen, an denen es auch in den Kommunen fehlt. Deshalb haben wir auch das Bürgergeld mit den Themen Ausbildung und Weiterbildung verknüpft. Deshalb wollen wir uns im internationalen Wettbewerb auch besser beim Anwerben von Fachkräften aufstellen. Aber: die Beziehung zu den Kommunen unterhalten zunächst mal die Länder. Das steht so in unserem Grundgesetz. Und deshalb kann sich das Land Baden-Württemberg auch nicht aus der Verantwortung ziehen. Beispiel: der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung im Grundschulalter. Das machen wir, damit die gut ausgebildeten Frauen auch, wenn die Kinder mit sechs in die Schule kommen, weiter arbeiten können. Doch die Umsetzung dieser Gesetze ist nicht Aufgabe des Bundes, sondern der Länder.
Die Kassen der Stadt Pforzheim sind leer und die Infrastruktur marode. Am augenscheinlichsten ist die Misere bei den Bädern. Wie kann hier der Bund helfen?
Wir haben im Bund seit vielen Jahren ein Sportstättenförderprogramm. Das Huchenfeld-Bad wird bereits mit Mitteln des Bundes neu gebaut. In Baden-Württemberg dagegen gibt es kein derartiges Förderprogramm. Das halte ich für grob fahrlässig und schäbig. Ich hätte gerne Landtagsabgeordnete, die das Gleiche im Land auch tun. Doch da ist leider Fehlanzeige.
Trotz großer Reformen und vieler neuer Gesetze – laut Umfragen sind zwei Drittel der Bürger unzufrieden mit der Ampel-Regierung. Wie erklären sie sich das?
Das liegt auch daran, dass viele der Dinge, die wir jetzt angegangen sind, noch nicht spürbar bei den Bürger angekommen sind. Die CDU/CSU ist zwar aus Atom und Kohle ausgestiegen, aber sie ist nie irgendwo eingestiegen, vor allem nicht in den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Das haben wir jetzt in einem Kraftakt nachgeholt. Die Gasspeicher waren leer, jetzt sind sie voll. Flüssiggasterminals gab es nicht in Deutschland, jetzt gibt es welche. Wir tun alles dafür, dass sich die Skepsis und Unzufriedenheit in Zufriedenheit wandelt.
Was sind Ihre größten Baustellen für die verbleibenden drei Jahre dieser Legislaturperiode?
Ich will mich weiterhin für sozialen Ausgleich einsetzen sowie für Energiesicherheit mit erneuerbaren Energien. Vor allem aber kämpfe ich entschieden gegen Kinderarmut, etwa mit dem Ziel einer Kindergrundsicherung. Die Stärkung der gesetzlichen Rente und die Stärkung von Tarifverträgen und Tarifstrukturen – all das steht auch noch an.
Was wäre Ihr Weihnachtswunsch an die eigene Regierung?
Zuerst ein Mal mehr, dass man mehr im Chor singt und nicht immer wieder Einzelstimmen zu Stimmen der Koalition macht. Ansonsten ist mein größter Wunsch, dass wir das Land zusammenhalten und fit für die Zukunft machen. Und persönlich wünsche ich mir ein paar ruhige Tage mit meiner Familie.