Nach dem Vorbild der Vesperkirche an der Stuttgarter Leonhardskirche wurde die Pforzheimer Vesperkirche im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben. Von Anfang an sollte die Einrichtung ein Ort der Begegnung sein. Mitten in der kältesten Jahreszeit sollen Bedürftige, Menschen ohne Arbeit oder Obdach oder Menschen, die einfach nur einsam sind, vier Wochen lang Hilfe, Wärme und Gemeinschaft finden. Und natürlich Speis und Trank: für einen Euro gibt es ein warmes Mittagessen, Kaffee und Kuchen und ein Vesper zum Mitnehmen. "Kirche für Leib und Seele" bezeichneten die damaligen Initiatorinnen Maria Trautz und Christel Rieke die Pforzheimer Vesperkirche.
Petra Caliskan ist seit 25 Jahren mit dabei
Petra Caliskan ist von Anfang an mit dabei und freut sich von Jahr zu Jahr aufs Neue auf diese besonderen vier Wochen. Dort treffe sie immer viele alte Bekannte, mit denen sie eine Schwätzle halten könne, sagt die 57-Jährige. Petra Caliskan kommt aber nicht nur zum Mittagessen in die Pforzheimer Stadtkirche. Sie gehört zu einer ganzen Reihe von Stammgästen, die auch mit anpacken.
Schon bei der allerersten Vesperkirche habe sie Geschirr gespült, erzählt sie. Für nichts ist sie sich zu schade: mal putzt sie die Toiletten, mal holt sie gebrechlichen Besuchern einen Kaffee an den Tisch. Am liebsten aber hilft sie bei der Kinderbetreuung mit, spielt mit den Kleinen Kartenspiele und Mensch ärgere dich nicht: "Das macht mir einen Riesenspaß!"
Petra Caliskan lebt in einer Siedlung für sozial Bedürftige - alleine mit zwei Katzen. Knapp 500 Euro habe sie im Monat zum Leben, erzählt sie freimütig. Miete und Strom übernimmt das Sozialamt. Sie komme über die Runden, will nicht jammern. Dennoch muss sie jeden Euro zweimal umdrehen. Da würden vier Wochen Vesperkirche schon helfen, meint sie: "Das merkst du schon, da muss ich vier Wochen nicht kochen."
Vesperkirche Pforzheim: 200 Ehrenamtliche helfen mit
Waren es bei der Premiere der Vesperkirche täglich einige Dutzend Besucher, stieg die Zahl der Gäste zuletzt auf über 500, darunter inzwischen auch viele Geflüchtete. In diesem Jahr kalkulieren die Organisatoren zunächst mit nur rund 370 Essen am Tag, da erstmals zeitgleich Vesperkirchen in Remchingen und Mühlacker stattfinden. Sollten mehr kommen, könne man flexibel reagieren, heißt es. Über die gesamte Zeit hinweg sind rund 200 ehrenamtliche Helfer im Dienst, unter ihnen auch Schüler und Auszubildende aus Pforzheimer Betrieben.
Auch im Angebot: Impfungen und Gratis-Haarschnitt
Die Besucher sollen aber nicht bloß satt werden. Vor Ort stehen auch Seelsorger und Sozialarbeiter für Gespräche bereit. Zweimal in der Woche bieten Ärzte Regelimpfungen an, und montags ist sogar ein kostenloser Haarschnitt möglich. Für Kinder gibt es eine betreute Spielecke. Zum Jubiläum soll es zudem an manchen Tag auch Live-Musik geben. Und eine Foto-Ausstellung zeigt "Prägende Gesichter der Vesperkirche".
Vesperkirche ausschließlich über Spenden finanziert
Rund 200.000 Euro kosten die 29 Tage Vesperkirche. Finanziert werden die Kosten ausschließlich über Spenden. Auch mehr als 100 Unternehmen zählen zu den Unterstützern. Zahlreiche Bäckereien, Metzgereien und Lebensmittelgeschäfte helfen mit Sachspenden.
Doch so sehr sich die Organisatoren auch über den Zuspruch und die Unterstützung freuen, den die Einrichtung in jedem Jahr erfährt: das Jubiläum gebe keinen Grund, stolz zu sein, macht Frank-Johannes Lemke vom Verein "Ökumenische Vesperkirche Pforzheim" klar: "Noch glücklicher wären wir, wenn es die Vesperkirche gar nicht bräuchte."
Suppenküche das ganze Jahr über geöffnet
Doch Stammgäste wie Petra Kaliskan möchten die Vesperkirche nicht mehr missen. Zum Glück gebe es nach der Vesperkirche wieder die Suppenküche, die ganzjährig dreimal in der Woche geöffnet habe, sagt Petra. Außerdem besucht sie regelmäßig einen Treffpunkt der Diakonie. Auch dort packt sie mit an. Doch die Vesperkirche sei eben etwas Einzigartiges: "Sie könnte ruhig länger gehen, die vier Wochen gehen immer viel zu schnell vorbei!"