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Der Leopard 2 und die Geschichte der Panzer

Stand
Autor/in
Michael Reitz
Michael Reitz
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Kaum ein Waffensystem hat eine derartige Revolution ausgelöst wie die Panzer. Heute sind es Hochleistungsmaschinen, wesentlich schneller als ihre Vorgänger vor 100 Jahren. Der Beitrag von Michael Reitz aus dem Jahr 2016 ist unerwartet wieder aktuell geworden.

Im September 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, setzte die britische Armee zum ersten Mal so genannte Tanks ein, die Prototypen heutiger Panzer. Bis zu elf Soldaten drängten sich damals in einen nach Pulvergasen und Benzin stinkenden Innenraum, in dem sie brachial durchgerüttelt wurden und bereits nach kurzer Fahrt kaum noch atmen konnten.

Wie gigantische prähistorische Echsen sehen die gepanzerten Kolosse aus. Nur mit dem Unterschied, dass sie auf Ketten fahren und aus mehreren Rohren feuern. Diese Rammböcke abzuwehren scheint den deutschen Verteidigern unmöglich, selbst Maschinengewehrsalven prallen an ihrer bis zu zehn Millimeter starken Panzerung ab.

Trotzdem endet der erste Einsatz britischer Tanks in einem Desaster. Denn nach dem ersten, heftigen Schock stellen die deutschen Soldaten fest, dass Handgranatenwürfe die Kolosse rasch außer Gefecht setzen. Hinzu kommt, dass diese neue Waffe noch viele Konstruktionsfehler hat und gerne mal in einem der vielen Gräben liegen bleibt.

Jede Fahrt eine Tortur

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatte es erste Planspiele gegeben, schwer bewaffnete, gepanzerte Fahrzeuge zu entwickeln. Der erste Entwurf mit Kettenantrieb und drehbarem Geschützturm stammt von Gunther Burstyn, einem Oberleutnant und begeisterten Tüftler der österreichisch-ungarischen Armee.

Das Projekt wird jedoch von der Heeresleitung abgelehnt. Sie ist sicher, dass solche Fahrzeuge unnötig viel Geld verschlängen – und dass sie strategisch wertlos wären. Nicht so bei den Briten. Ausgerechnet der Marineminister des Vereinigten Königreichs, der spätere Premierminister Winston Churchill, forciert seit 1915 die Entwicklung sogenannter "Landschiffe".

Diese Ungetüme werden im Englischen Tanks genannt, eine Bezeichnung, die sich bis heute hält. Für die achtköpfigen Besatzungen ist jede Fahrt eine Tortur. Die 27 Tonnen schwere Panzer wird von einem rund 100 PS-starken Motor bewegt, der so unerträglichen Krach macht, dass er selbst Brüllen übertönt.

Bedrohung im Panzer

Im Innern eines fahrenden Tanks herrscht eine Temperatur von bis zu 80 Grad Celsius. Wenn der Tank feuert, verpesten Pulvergase die Luft, oft müssen die Soldaten aussteigen, um nicht zu ersticken – dann werden sie Opfer feindlicher Maschinengewehrschützen.

Während die Briten ein Jahr nach der Schlacht an der Somme die erste reine Panzeroperation der Militärgeschichte mit mehr als 400 Tanks durchführen, werden deutsche Panzer erst 1918 eingesetzt. Im deutschen Panzermuseum im niedersächsischen Munster sind 130 historische Panzerfahrzeuge in drei großen Hallen ausgestellt.

Im Deutschen Reich sind, wegen des Krieges, Rohstoffe knapp. Dementsprechend katastrophal verlaufen Produktion und Einsatz des ersten deutschen Panzers mit der Typenbezeichnung A7V, im Armeejargon "Wotan" genannt. Im Munsteraner Museum steht eine Replik dieses Ungetüms, das in seiner Form an einen zu groß geratenen Schuhkarton erinnert.

Der französische Spinner

1934 veröffentlicht ein Absolvent der renommierten französischen Militärakademie Saint Cyr eine Art Geburtsurkunde der modernen Panzerstrategie. Er vertritt die Auffassung, dass ein künftiger Krieg nur mit schnellen Panzerverbänden gewonnen werden kann, die vollkommen selbständig operieren und Gegner überrennen.

Der Autor ist Charles de Gaulle, der spätere Präsident Frankreichs. Doch seine französischen Offizierskollegen halten de Gaulle für einen gefährlichen Spinner und lehnen sein Konzept rundweg ab. Es wird ausgerechnet von deutschen Panzergenerälen umgesetzt. Das ist der Beginn des so genannten Blitzkrieges.

Zwei hintereinander fahrende Kampfpanzer Leopard 2
Zwei hintereinander fahrende Kampfpanzer Leopard 2

Der Überfall auf Polen im September 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg beginnt, endet nach nur vier Wochen. Kaum länger dauert der Krieg gegen Frankreich ab Mai 1940. Generalleutnant Erich von Manstein und General Heinz Guderian hatten die Taktik eines permanenten Bewegungskrieges erdacht. Hochriskant für Angreifer, aber unkalkulierbar für ihre Gegner.

Panzer über Gebirge

Deutsche Truppen wollen die Befestigungsanlagen der Maginot-Linie umgehen – durch ein irrwitziges Unternehmen. Panzer sollen über die unwegsame Eifel in die Ardennen vorstoßen und so schnell wie möglich die französische Atlantikküste erreichen.
Einer der Kommandeure ist Erwin Rommel, dessen Panzerverband bald den Namen "Gespensterdivision" bekommt, da niemand genau weiß, wo er sich gerade aufhält. Von Mansteins Plan gelingt, am 22. Juni 1940 muss Frankreich kapitulieren.

Als die Sowjetunion am 22. Juni 1941 von Wehrmacht und SS überfallen wird, sieht es lange Zeit aus, als wäre der deutsche Angriff wiederum ein Spaziergang. Die schnellen Panzerverbände umschließen in großen Kesselschlachten Hunderttausende Soldaten der Roten Armee, deren Verluste gewaltig sind.

Fronten der Panzerarten

Doch mit den sowjetischen Panzerdivisionen hat die Wehrmacht es zum ersten Mal mit gleichrangigen Gegnern zu tun. Die Sowjetunion wird zum Terrain großer Panzerschlachten während des Zweiten Weltkriegs. Die Soldaten der Roten Armee kämpfen in einem der bemerkenswertesten Panzer der Militärgeschichte, ausgestellt im Panzermuseum Munster.

Obwohl die Feuerkraft seiner Kanone mit dem Kaliber 7,6 cm relativ gering ist, wird der Tank 34 bald zum Rückgrat der Roten Armee. Einer der Gründe ist die abgeschrägte Frontpartie des Panzers. Seine Ausrichtung auf Masse statt Qualität hat verheerende Folgen für die Besatzungen: Die Schweißnähte des T-34 sind oft so schlampig verarbeitet, dass Granaten leichter durchschlagen.

Der Tank wird zu einem stählernen Sarg, denn sein Innenraum steht im Nu in Flammen. Die Geschwindigkeit des Panzers ist mit über 50 Stundenkilometern zwar sehr hoch, dadurch wird die Mannschaft jedoch rabiat durchgeschüttelt.

Leopard 2 Panzer
In Deutschland produzierte Panzer, zu einem Stückpreis von 10 Millionen Euro, werden unter anderem in Länder exportiert, in denen autoritäre Regime herrschen

Kein Schutz der Soldaten

Der weitere Preis für die Massenproduktion im Hauruck-Verfahren ist hoch: von insgesamt 400.000 sowjetischen Panzersoldaten leben am Ende des Krieges nur noch 100.000. Weder der sowjetischen noch der nationalsozialistischen Führung war es wichtig, ihre Soldaten zu schützen, sondern in möglichst kurzer Zeit Kampfverbände auf die Schlachtfelder zu werfen.

Die fingierten Erfolgsmeldungen der nationalsozialistischen Wochenschau können über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen: Spätestens im Jahr 1943 ist klar, dass der Wehrmacht keine schnellen Panzervorstöße mehr möglich sind. Zwar gelingt es ihr – vor allem mit dem äußerst wendigen Modell "Panther" – viele T-34 abzuschießen. Doch die sowjetischen Fabriken, die außerhalb der Reichweite deutscher Bomberflotten liegen, produzieren den Panzer in Massen nach, insgesamt werden während des Krieges rund 50.000 Stück gebaut.

Ein Panzersoldat steht im Februar 2020 in der von-Hardenberg-Kaserne vor einem Leopard 2 Panzer und aufgestellten Gewehren vom Typ G36 von Heckler & Koch
Ein Panzersoldat steht im Februar 2020 in der von-Hardenberg-Kaserne vor einem Leopard 2 Panzer und aufgestellten Gewehren vom Typ G36 von Heckler & Koch

Panzer auch heute im Einsatz

Der Westen setzt mittlerweile in der Entwicklung neuer Panzer auf Hightech. Und in der Tat sind die Fortschritte in der Waffentechnik enorm. 1979 wird die erste Version des Leopard Zwei-Panzers bei der Bundeswehr eingeführt. Lediglich vier Mann Besatzung sind nötig, die vor einem Motor von 1.500 PS und 48 Litern Hubraum sitzen.

Neben einem Laser-Entfernungsmesser, Wärmebildgerät und einem weitgehend minensicheren Wannenboden verfügt er über die Fähigkeit, während der Fahrt auf bewegliche Ziele zu feuern. Mit einer Treffgenauigkeit von über 90 Prozent, auf Distanzen von mehr als vier Kilometern.

Die letzte große Panzerschlacht fand während des zweiten Irak-Krieges 2003 statt – allerdings, von einer Partei, zum größten Teil aus der Luft. US-amerikanische Jagdbomber setzten fast die gesamte irakische Panzerarmee außer Gefecht. Heutige Einsatzgebiete von NATO-Truppen wie Afghanistan oder Mali machen diese Kolosse des Schreckens weitgehend überflüssig.

Denn die asymmetrische Kriegsführung von Terroristen erfordert andere Strategien als den Aufmarsch großer Panzerverbände. Trotzdem geht die Produktion des Leopard Zwei weiter. Er wird, zu einem Stückpreis von 10 Millionen Euro, unter anderem in Länder exportiert, in denen autoritäre Regime herrschen. Beispielsweise Katar oder Indonesien – Staaten, wo, so vermuten Kritiker, für den Häuserkrieg umgerüstete Panzer zur Bekämpfung von möglichen Aufständischen eingesetzt werden sollen.

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