Marcus Schwarz hat einen Beruf, den man in Deutschland nicht erlernen kann: Er ist "forensischer Entomologe". Das heißt, er wird als Gutachter zu ungeklärten Todesfällen hinzugezogen, um anhand von Insekten die Liegezeit und, wenn möglich, den Todeszeitpunkt einer Leiche zu bestimmen.
Es gibt nur eine Handvoll forensischer Entomologen in Deutschland. Als Ballistiker hilft er außerdem bei der Aufklärung von Fällen, bei denen Schussverletzungen eine Rolle spielen.
Kriminalbiologe Mark Benecke | 21.5.2023 Insekten auf Leichen sind sein Spezialgebiet
Dr. Mark Benecke hat verzwickte Kriminalfälle gelöst, Hitlers Schädel untersucht, mit dem Kindermörder Garavito gesprochen und ist der einzige biologische Spuren-Sachverständige.
TV-Krimi, Tatort, Börne und Alberich: sieht so die Wirklichkeit aus?
Nein, sagt Marcus Schwarz ganz deutlich, es ärgert ihn aber auch nicht: "Das sind halt Unterhaltungssendungen". Teils sichert er mit seinem Team bis zu 500 Spuren an einem Tatort, das braucht Zeit. Die schnelle Diagnose vor Ort, das DNA-Profil des Täters oder der Täterin per USB-Stick im Computer: absolut nicht möglich. Polizisten in Zivilkleidung am Tatort, während noch die Spurensicherung arbeitet: niemals.
Oft erkennt er übrigens die Sektionssäle aus den Filmen wieder und weiß, dass dort, wo gerade ein Schauspieler auf dem Untersuchungstisch liegt, am Nachmittag noch eine komplett geöffnete Leiche gelegen hat: "Da würd' ich mich auf keinen Fall mit nacktem Oberkörper drauflegen", sagt Schwarz.
Insekten und Forensik: Nicht jeder Kriminalfall ist gleich ein Mord
Die banalsten Fälle sind oft die spannendsten, sagt Forensiker Marcus Schwarz - und nicht jeder Fall ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Wie der eines älteren Mannes, der tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde.
Es war kein Mord mit Beteiligung des Rotlichtmilieus, kein Fremdverschulden. Der Mann hatte schlichtweg einen Fetisch: Stöckelschuhe, die er sich selbst gebastelt hatte. Als einer davon kaputt ging, stolperte er, schlug auf den Tisch und wurde ohnmächtig. Weil er Diabetiker war, fiel er in ein Unterzuckerungs-Koma und starb.
Der entscheidende Hinweis zur Lösung des Falls: Fruchtfliegen. Unterzuckerte Diabetiker riechen nach Azeton, das lockte Fruchtfliegen an, die sich auf das Gesicht des Toten setzten.
Tatortreinigerin Janine Schweitzer | 16.7.2020 Tatortreinigung ist ihre Berufung
Janine Schweitzer ist zertifizierte Tatortreinigerin, Desinfektorin und Schädlingsbekämpferin. Sie hat schon Vieles gesehen. Aber ihr Beruf ist für sie Berufung.
Beerdigung? ReErdigung als ökologische Alternative
Marcus Schwarz ist nicht nur Forensiker – sein Beruf bringt es mit sich, auch über den Tellerrand zu sehen. Friedhöfe, besonders die klassischen, bezeichnet er als wichtige ökologische Nischen. Und erwähnt eine neue Art der Beerdigung, die gleichzeitig auch etwas für unsere Umwelt tut - die sogenannten Reerdigung. Der Körper wird dabei vollständig zu Humus umgewandelt.
Was in Schleswig-Holstein und Hamburg schon im Bestattungsgesetz erlaubt ist, befindet sich in Baden-Württemberg noch auf den ersten Metern. Eine Baden-Württembergerin will eine entsprechende Eingabe an den Landtag machen. Details zur Reerdigung findet ihr hier.
Gesellschaft Bestattungskultur – Neue Rituale im Umgang mit dem Tod
Beisetzungen verstorbener Personen werden individueller.
Neben Erd- oder Feuerbestattung treten Bäume oder "Re-Erdigungen", die den Abschied und das Trauern erleichtern wollen.
Marcus Schwarz hat Forstwissenschaften studiert und sich auf Insektenkunde spezialisiert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.
Über seine Arbeitsweise und seine Fälle berichtet er in seinen Büchern "Wenn Insekten über Leichen gehen" und "Der Tod im Anflug". Im Rahmen seiner Wissenschaftskommunikation setzt er sich aktiv gegen Fehlinformationen über das Berufsfeld der forensischen Entomologie ein.