Verner Panton zeigte die Fantasy-Landschaft 1970 in Köln

Vom Space Age zum Metaverse

Zukunft zum Wohnen: „Science Fiction Design“ im Vitra Design Museum

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Bachtler

Es gibt viele Vorstellungen davon, wie die Zukunft aussehen könnte: Beispiele dafür finden sich in Science-Fiction-Filmen und in Entwürfen zeitgenössischer Möbeldesigner. Dem Zusammenhang zwischen Film und Design geht die Ausstellung „Science Fiction Design – Vom Space Age zum Metaverse“ auf die Spur.

Sofalandschaft wie in einem Raumschiff
ZYVA Studio & Charlotte Taylor, Neo-Chemosphere, 2021

Exponate in futuristischer Inszenierung

Der argentinische Künstler und Designer Andrès Reisinger zeigt am Vitra Design Museum in Weil am Rhein mehr als 100 Sammlungsobjekte. Die frühesten Exponate stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und schlagen den Bogen über das sogenannte Space Age der 1960er- und 1970er-Jahre bis hin zu Design-Objekten für virtuelle Zukunftswelten.

Elegante Möbel im Raumschiff Enterprise 1968
Nicht nur in Sachen Design stilprägend für ein ganzes Genre: Die originale Crew der Enterprise in „Star Trek“ (1968).

Illustre Beispiele dafür sind die ikonische Form des Raumschiffs Enterprise, die perfekt symmetrischen Gänge im Raumschiff von „2001 – Odyssee im Weltraum“ und die eleganten Science-Fiction-Möbel in „Star Wars“. Die Art und Weise, wie wir uns die Zukunft vorstellen, wurde vor allem von Designern kreiert, sagt die Kuratorin der Ausstellung.

Gerade in Filmen finden wir sehr viele Möbel und Ausstattungsgegenstände, die von Regisseuren bei Designern gefunden und als Requisiten für ihre Raumschiffe und für ihre Szenerien benutzt wurden. Genau wie die Science Fiction ist das Design immer am Puls der Zeit.

Kuratorin Nina Steinmüller im Gespräch mit SWR Kultur

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Design beeinflusst unsere Zukunftsbilder

Viele Möbel des „Space Age“ aus der Zeit des Wettlaufs um die Eroberung des Weltraums in den 1960er-Jahren stammen von Designern wie Joe Colombo, Verner Panton oder Luigi Colani.

Der Aluminium-Stuhl von Joris Laarman entstand 2013 als 3-D-Druck
Joris Laarman, Aluminum Gradient Chair, 2013

Sie entwerfen Möbel und Wohnlandschaften, die mit ihren organischen Formen und glänzenden Plastikoberflächen futuristisch aussehen, aber ebenso die Lebens- und Wohngewohnheiten grundlegend neu denken sollen. Technologische Innovationen beeinflussen Designer bis heute.

Die Ausstellung zeigt etwa den ersten 3-D-Druck aus dem Jahr 2013: Der niederländische Designer Joris Laarman entwarf den „Aluminium Gradient Chair“. Andrès Reisinger hingegen plant futuristische Traumlandschaften mit ballon- und kugelförmigen Objekten.

Designer Andrès Reisinger entwarf das Sofa in organischen Formen
Andrés Reisinger, The Shipping, Deep Space, 2021

„Viele dieser sehr jungen Gestalter heutzutage, die sich im digitalen Raum bewegen, orientieren sich an Science-Fiction-Bildern, aber auch an vielen anderen Bereichen“,, sagt Kuratorin Nina Steinmüller. „Wir können noch nicht so genau fassen, in welche Richtung das geht, wir finden es aber sehr spannend.“

Klassische Bedingungen für Designer im digitalen Raum

Das Spiel mit Gravitation und die Aufhebung der Schwerkraft in digitalen Entwürfen bieten Designern mehr Möglichkeiten der Gestaltung. Sobald die Objekte analog produziert werden, stehen die Designer vor der Herausforderung, die Grenzen des Produktdesigns auszuloten und eventuell zu überschreiten.

Vor allem Andrès Reisinger ist mit Industriedesign, Kunsthandwerk, Innenarchitektur und Konzeptkunst bekannt geworden. Er gründete die Reisinger Studios, ein multidisziplinäres Designstudio in Barcelona.

Anouk Wipprecht designte das Kleid für die Automarke Audi
Anouk Wipprecht, Audi A 4 Dress Collection, 2015

Zukunftswelten greifen aktuelle Themen auf

Moderne Designer verarbeiten in ihren futuristischen Entwürfen gesellschaftliche Fragestellungen und Probleme unserer Gegenwart,etwa die Spaltung der Gesellschaft, die Interaktion von Medien und Technik, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Viele Designer nutzen KI und digitale Programme für ihre Arbeiten, wobei sich beide Bereiche überschneiden und auch gegenseitig inspirieren können.  

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Science Fiction und Design: Wie sieht unsere Zukunft aus?

Der Weltraum hat vor allem die Zukunftsvorstellung in den 60er- und 70er-Jahren geprägt. Schriftsteller*rinnen und Filmemacher*innen begannen damals, Science-Fiction-Szenarien zu entwerfen; die vielleicht bekanntesten, darunter natürlich die verschiedenen Star Trek-Serien. Darin entstand ein ganzes Design-Universum mit Innenausstattungen, die heute Klassiker sind. Irgendwo zwischen pragmatischer Form und bunter Fantasiewelt. Was ist vom utopischen Gehalt dieser Zukunftsdesigns damals geblieben und welche Ideen haben und brauchen wir heute als Gesellschaft?

„Die Neugierde für das Unbekannte, für neue Technologien bleibt heute noch aus dieser Zeit“, meint Susanne Graner, die die Ausstellung „Science Fiction Design“ vom Vitra Design Museum mit kuratiert hat. Auch im Design zeige sich diese Neugierde in einer immer wiederkehrenden Lust, mit neuen Materialien zu arbeiten und Formen auszuprobieren.

Allerdings war damals das Zukunftsbild sehr positiv konnotiert, sagt sie. Es wurden Utopien geschaffen. Heute hingegen gehe es mehr um zukünftige Dystopien, erklärt Friedrich von Borries, Professor für Designtheorie und kuratorische Praxis an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. „Die Szenarien, die wir heute haben, sind beklemmender und weniger begeisternd“, sagt er.

Statt um die Entdeckung fremder Planeten geht es heute um die Eroberung einer virtuellen Welt: Das Metaverse. Eine tolle Möglichkeit für Gesellschaftsentwürfe, sagt Susanne Graner. Das, was das Metaverse gerade anbiete, sei „echt nicht aufregendes“, kontert Friedrich von Borries. Denn es gebe reelle Räume, wie zum Beispiel historische Orte und Gebäuden, die „aufregendere und abgefahrene Räume als das Metaverse erzeugen“.

Wie schaut für euch die Zukunft aus? Habt ihr bereits tolle Möbelstücke aus der Zukunft? Schickt uns eure Meinungen per E-Mail an kulturpodcast@swr.de.

Host: Christian Batzlen, Pia Masurczak
Showrunner: Giordana Marsilio

Links:
Fan-Seiten mit Design-Klassikern aus Star Trek gibt es viele, Star Trek + Design ist eine besonders schön aufbereitete: https://star-trek.design/
Ausstellung „Science Fiction Design: Vom Space Age zum Metaverse”: http://www.design-museum.de/de/ausstellungen/detailseiten/science-fiction-design.html
Friedrich von Borries – „Stadt der Zukunft“ https://www.fischerverlage.de/buch/friedrich-von-borries-benjamin-kasten-stadt-der-zukunft-wege-in-die-globalopolis-9783596704323

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