Kinder sind mit dem Fahrrad unterwegs zur Schule. Man sieht drei Kinder auf ihrem Fahrrad von hinten.

Gefahr im Straßenverkehr

Warum Kinder auf dem Fahrrad besonders gefährdet sind

Stand
INTERVIEW
Christian Rönspies

Kinder auf dem Fahrrad sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Das Aktionsbündnis 'Kidical Mass' aus Mannheim fordert deshalb im SWR-Gespräch: innerorts Tempo 30.

"Kidical Mass" ist ein bundesweites Aktionsbündnis, das sich dafür einsetzt, dass Kinder sicher und eigenständig mit dem Fahrrad in den Städten unterwegs sein können. SWR Aktuell-Moderator Christian Rönspies hat mit Kristina Schaum von der Mannheimer "Kidical Mass"-Gruppe gesprochen.

SWR Aktuell: Was ist die gefährlichste Situation, die Sie als Fahrradfahrerin mit einem Kind erlebt haben?

Kristina Schaum: Das ist, wenn Autofahrer einfach unachtsam abbiegen, dass man einfach übersehen wird. Aber ganz schlimm ist es beim Überholen. Das fängt schon damit an, dass nicht genug Seitenabstand eingehalten wird. Dann kommen Kinder und auch Erwachsene ganz schnell in Bedrängnis.

SWR Aktuell: Und das Problem ist meistens, dass die Kinder beim Fahrrad fahren auf die Straße gezwungen werden.

Schaum: Genau. Das ist wirklich das allergrößte Problem, wenn es keinen sicheren, getrennten Radweg gibt. Auch die sogenannten Schutzstreifen sind keine Alternative. Sie sind zu schmal und die Autofahrer fahren auch mit zu wenig Abstand an den Radfahrern vorbei. Ich weiß nicht, ob die dann denken: da ist so eine magische Wand, die irgendwie hochgeht, weil eine Linie auf dem Boden eingezeichnet ist. Sobald man sich als Radfahrer auf der Straße bewegen muss und als Kind sowieso, ist es gefährlich.

SWR Aktuell: Wie ließe sich das entschärfen? Vermutlich nur durch klar abgetrennte Radwege?

Schaum: Das ist sicherlich eine Möglichkeit. Aber was ein ganz wichtiger Faktor ist, ist das Tempo herauszunehmen. Kidical Mass setzt sich dafür ein, dass innerorts Tempo 30 gilt. Denn wenn man langsamer fährt, hat man erstens nicht den Zeitdruck, weil man gar nicht erwartet, so schnell voranzukommen. Und zweitens kann man einfach viel besser auf Situationen reagieren, zum Beispiel was den Bremsweg anbelangt. Je langsamer man selbst fährt, desto einfacher ist es, auf andere zu achten.

SWR Aktuell: Sie haben den Abstand angesprochen, den Autofahrer häufig nicht einhalten. Mittlerweile kostet das 80 Euro und einen Punkt in Flensburg, wenn man nicht mindestens mit 1,50 Meter Abstand an einem Fahrradfahrer vorbeifährt. Ist das nicht ein großer Fortschritt?

Schaum: Naja, wie oft wird das denn wirklich geahndet? In dem Moment, wenn man selbst als Radfahrer in Bedrängnis kommt, kann man gar nicht so schnell reagieren. Außerdem hat man meistens keine Zeugen, um das anzuzeigen. Von daher ist es ein schöner Schritt, dass diese Problematik überhaupt einmal wahrgenommen wird. Ein weiterer Punkt ist das Parken auf dem Radweg. Wenn das nicht geahndet wird, dann wird sich auch nichts verändern.
Ich persönlich bin der Meinung, dass die Strafen durchaus drakonischer sein dürften - so ähnlich wie in den Niederlanden. Wenn man dort einmal erwischt wird, dann macht man es nicht noch einmal, weil es einfach viel zu teuer ist.

SWR Aktuell: Wie würden Sie die Situation Rad fahrender Kinder im Straßenverkehr generell beschreiben?

Schaum: Ich glaube, das größte Problem ist wirklich, dass Kinder noch nicht diesen umfassenden Blick haben. Sie können noch nicht so wie Erwachsene vorausschauend fahren und auf die Fehler der anderen achten.
Wenn ich unterwegs bin, dann weiß ich: da vorne könnte eine Autotür vor mir aufgehen. Ich frage mich: guckt der Autofahrer, der abbiegt, wirklich auf mich. Ich habe das alles im Blick. Das können Kinder nicht, denn sie sind in ihrer Wahrnehmung noch nicht so weit.

SWR Aktuell: Kidical Mass sagt, wer die Verkehrs- und Mobilitätswende will, muss bei den Kindern ansetzen. Wie müssen wir uns das vorstellen?

Schaum: Wenn ich als Kind das Erlebnis gemacht habe, dass ich mich auf dem Fahrrad sicher bewegen kann, setze ich damit den Grundstein für mein ganzes Leben, weil ich diese Form von Mobilität positiv erlebt habe. Und dann werde ich auch als Erwachsener mehr Fahrrad fahren.
Da bin ich persönlich ein sehr gutes Beispiel dafür, weil ich als Kind quasi alles mit dem Fahrrad gemacht habe. Und jetzt ist das Fahrrad für mich einfach die Nummer eins.
Zusätzlich spart man viel Geld, denn mit dem Fahrrad zu fahren, ist viel günstiger, als das Auto zu nehmen. Und ich tue noch etwas für das Klima, weil ich mich dafür entschieden habe, außerhalb dieser Blechkiste Auto zu denken.

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