Pflegerinnen im Pflegeheim in Großerlach

Höhere Löhne sorgen für höhere Kosten in der Altenpflege

Folgen des neuen Tariftreuegesetzes - Beispiel: Ein Pflegeheim in Bammental

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Seit dem 1. September müssen Altenpflegekräfte nach Tarif bezahlt werden. Im Prinzip stößt das auf große Zustimmung. In einem Pflegeheim in Bammental ist das teils problematisch.

Michael Nicolaus ist Leiter des Pflegeheims Anna-Scherer-Haus in Bammental (Rhein-Neckar-Kreis). Das sogenannte Tariftreuegesetz stellt ihn vor große Herausforderungen. Pflegerinnen und Pfleger mit langer Berufserfahrung verdienen nun bis zu 600 Euro mehr im Monat.

Das sei ihnen gegönnt, nur: Durch die Lohnsteigerung steigen auch die Kosten für die Heimbewohner und deren Angehörige. Und das musste der Heimleiter den Betroffenen in den vergangenen Wochen nach und nach klar machen.

"Konkret bedeutet die Steigerung, dass für die Bewohner, die bisher einen Eigenanteil von 2.600 Euro pro Monat haben, der Anteil bei 3.100 Euro liegt, das ist eine Steigerung von knapp 25 Prozent."

Mehrkosten tragen größtenteils Heimbewohner und Angehörige

Ein ziemlich beträchtlicher Unterschied, bei dem sich unwillkürlich die Frage stellt, wer ihn finanzieren soll. Sachliche Antwort von Michael Nicolaus: Die Heimbewohner, die Geld haben, müssten die Mehrkosten selbst bezahlen. Bei Heimbewohnern, die selbst kein Geld haben aber Angehörige mit finanziellen Mitteln, müssten die Angehörigen die Kosten übernehmen. Übrig bleiben die Fälle, bei denen weder die Heimbewohner noch die Angehörigen Geld haben.

Eine junge Frau hat ihre Hand auf der Schulter einer älten Frau gelegt, die in einem Seniorenheim am Tisch sitzt.
Hohe Kosten in einem Pflegeheim: Am Ende muss das Sozialamt entscheiden

"Da muss dann ein Sozialhilfeantrag gestellt werden, wo man hofft, dass die Sozialämter nicht mit der Antragsflut überfordert sind und zeitnah entscheiden können, für die Kosten aufzukommen."

Tariftreuegesetz: Verhandlungen über die Finanzierung dauern an

Das Problem ist, dass die Pflegeversicherung nur einen Grundbetrag zahlt und die Mehrkosten dadurch nicht abgedeckt sind. Bei anderen Versicherungen zahlen dagegen in einem Leistungsfall die Versicherten einen Grundbetrag und die Versicherung übernimmt den Rest. Deshalb teilte die AOK Baden-Württemberg auf SWR-Anfrage schriftlich mit, dass sie die Bezahlung nach Tarif begrüße. Gleichzeitig macht sie aber deutlich, dass die Politik ihrer Meinung nach die Hausaufgaben noch nicht gemacht hat:

"Wir erwarten von der Politik notwendige Schritte für eine nachhaltige Lösung zur Finanzierung der Tariftreueregelung, die es den Pflegekassen ermöglichen, mehr zu bezahlen. So können die Kostensteigerungen auf mehrere Schultern verteilt werden."

Altenpflege
Altenpflege: Wer soll das bezahlen, wenn die Kosten immer höher steigen?

Der Weg zum Sozialamt kommt einer Entwürdigung gleich

Noch sind die Verhandlungen nicht abgeschlossen. Bei Michael Nicolaus in Bammental steht derweil das Telefon nicht mehr still. Meist rufen Angehörige an, die empört oder verzweifelt sind wegen der Kostensteigerungen. Der Heimleiter muss ihnen dann erklären, dass kein Weg daran vorbeiführt.

"Dass wir einfach gesetzlich verpflichtet sind, so zu handeln. Und wir haben halt die Lösungswege aufgezeichnet, was den Weg zum Sozialamt angeht."

Der Weg zum Sozialamt - allein der Gedanke daran wäre für viele entwürdigend, meint Claudia Schönfelder, die als Berufsbetreuerin unter anderem alte Menschen in Bammental begleitet.

"Lieber daheim in der Wohnung total verwahrlost vor sich hinvegetieren - aber auf keinen Fall möchte man ins Heim oder Sozialhilfe und zum Sozialamt. Das ist immer ganz negativ besetzt."

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SWR