SWR-Umfrage: Frustrierte Bürgermeister

Bürgermeister Ackermann: "Uns ist jede Möglichkeit genommen"

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Claudia Deeg
Claudia Deeg
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SWR1

Eine aktuelle SWR-Umfrage unter rheinland-pfälzischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zeigt, dass der Frust steigt. Auch Ortsbürgermeister Matthias Ackermann aus Birkenhördt (Kreis Südliche Weinstraße) hat nach fast 20 Jahren im Amt genug.

Wir haben Matthias Ackermann (parteilos, ehemals CDU) gefragt, was in seiner Heimatgemeinde Birkenhördt los ist.

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SWR1: Herr Ackermann, werden Sie im nächsten Jahr wieder antreten?

Matthias Ackermann: Ganz ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht. Auf der einen Seite sehe ich natürlich die Verantwortung. Man hat ja in den 20 Jahren auch einiges mit aufgebaut und die Unterstützung in der Bevölkerung gehabt. Aber das geht alles nicht ohne einen funktionierenden Gemeinderat. Und das sehe ich eben bei vielen: die fehlende Bereitschaft, nochmal anzutreten und zu kandidieren.

SWR1: Der Hauptgrund, der bei der SWR-Umfrage für die zunehmende Frustration bei den Bürgermeistern genannt wird, ist das fehlende Geld. Warum drückt das so sehr auf die Stimmung?

Ackermann: Es drückt deswegen so sehr auf die Stimmung, weil wir nicht mehr in der Lage sind, in irgendeiner Form gestalterisch tätig zu werden. Wir haben so viele Pflichtaufgaben zu erfüllen, dass uns jede Möglichkeit genommen ist, finanziell auch nur ansatzweise irgendwelche neuen Projekte anzugehen oder mal ein bisschen in die Zukunft zu schauen, was wir noch weiterentwickeln könnten.

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SWR1: Ist die Zahl der Pflichtaufgaben gewachsen oder ist das Geld weniger geworden? Auch früher gab es ja Gemeinden, die nicht viel Geld hatten.

Ackermann: Das ist richtig. Aber die Finanzausstattung generell ist definitiv in den 20 Jahren, in denen ich in der Verantwortung bin, weniger geworden. Wenn früher bei uns – wir liegen ja im Pfälzer Wald – der Forst-Haushalt bestimmend war und man gehofft hat, dass er geringfügig ein Plus ausweist, sind dies heute Fragen, die für die Gesamtsituation überhaupt keine Rolle mehr spielen.

Da ist jetzt eine Grenze erreicht, und wir möchten es unseren Bürgerinnen und Bürgern auch einfach nicht mehr zumuten.

Wir haben einfach zu wenig Geld zur Verfügung und werden vom Land über die Kommunalaufsicht gezwungen, dass wir zum Beispiel die Grundsteuern regelmäßig erhöhen. Da ist jetzt eine Grenze erreicht, und wir möchten es unseren Bürgerinnen und Bürgern auch einfach nicht mehr zumuten.

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SWR1: Der Frust über das fehlende Geld ist das eine. Aber sinkt möglicherweise generell die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Ackermann: Die sinkt nicht, aber es sind Grenzen erreicht. Ich kann ein Beispiel bringen: Wir haben vor vielen Jahren unseren Kindergarten wiedereröffnet und haben währenddessen 4.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden eingebracht. Das hat der Gemeinde etwa 60 bis 80.000 Euro erspart.

So eine Aktion können Sie einmal machen. Aber man darf die Bürgerinnen und Bürger auch nicht überstrapazieren. Man kann nicht deswegen, weil die Finanzausstattung nicht passt, ständig die Bürgerinnen und Bürger im Ehrenamt um Mithilfe bitten. Die sagen Ihnen: "Irgendwann ist es gut." Und das merkt man ganz deutlich.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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